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Elektrifizierung bei NAH.SH

Projektbeschreibung

In Schleswig-Holstein sollten die Züge nachhaltiger unterwegs sein. In drei noch nicht elektrifizierten Bahnnetzen, die elf Bahnlinien umfassen, sollten Dieselzüge sukzessive durch Züge mit alternativen Antrieben ersetzt werden. 55 neue Fahrzeuge waren gefragt. 

Auf dem Weg zu den alternativ betriebenen Zügen sind das Land Schleswig-Holstein und der Nahverkehrsverbund für Schleswig-Holstein (NAH.SH) dabei ganz neue Wege gegangen. Es handelte sich um die bisher größte Ausschreibung im Schienenpersonennahverkehr in Schleswig-Holstein. Bundesweit gab es kein vergleichbar innovatives Vergabeverfahren.

Herausforderungen

Das Streckennetz, um das es in der Ausschreibung ging, war bisher weitestgehend nicht elektrifiziert und hatte einen hohen Anteil dieselbetriebener Linien. Die Züge sollten dort künftig nachhaltiger und umweltschonender unterwegs sein – und das in vergleichbar kurzer Zeit und ohne einen massiven Umbau der Infrastruktur.

Lösungsansätze

NAH.SH startete 2015 mit Vorgesprächen mit potenziellen Fahrzeugherstellern. Die dann folgende Ausschreibung wurde technologieoffen durchgeführt. Auch andere alternative Antriebe wären denkbar gewesen. Das Unternehmen Stadler bekam den Zuschlag und fertigte die erste Akkuzugflotte für den Linienbetrieb. 

Um die Infrastruktur in kurzer Zeit ertüchtigen zu können, wurden bestehende Oberleitungen verlängert und in einigen Bahnhöfen wie Heide, Husum und Tönning jeweils sogenannte Oberleitungsinselanlagen an mehreren Bahnsteiggleisen neu errichtet.

Zeitablauf

  • 2015: NAH.SH beginnt Vorgespräche mit potenziellen Fahrzeugherstellern zu möglichen Antriebstechnologien.
  • August 2016: Start der Ausschreibung für innovative Fahrzeuge.
  • Juli 2018: Start der Ausschreibung zur Suche eines Fahrzeugfinanzierers und -vermieters.
  • Juli 2019: Auswahl der Firma Stadler als Fahrzeughersteller.
  • November 2019: Start der Ausschreibung zur Suche des Bereitstellers einer Transferflotte.
  • April 2020: Auswahl von DB Regio als Bereitsteller der Transferflotte.
  • April 2020: Das Land wählt Paribus als Fahrzeugfinanzierer und -vermieter aus.
  • Mai 2020: Start der Ausschreibung für den Betrieb im Akkunetz, also zur Suche eines oder mehrerer Verkehrsunternehmen(s).
  • April 2021: Vorschlag von drei Verkehrsunternehmen als künftige Betreiber.
  • Bis Oktober 2021: endgültige Entscheidung über die Betreiber für alle drei Teillose.
  • Dezember 2022: erixx Holstein nimmt auf den ersten Linien (RE 83/ RB 84 und RB 76) den Betrieb auf, noch mit Dieselfahrzeugen.
  • Oktober 2023: Die ersten Fahrzeuge werden ausgeliefert und ab diesem Zeitpunkt werden die aktuellen Fahrzeuge Schritt für Schritt ersetzt.
  • Ab Dezember 2023: Die Laufzeit der Verkehrsverträge mit der nordbahn beginnt, 2035 enden die Verträge.
  • Dezember 2022 bis Dezember 2025: Übergangszeit mit Transferflotte.
  • Sommer 2025: Das 55. Fahrzeug soll ausgeliefert sein. 
  • Dezember 2025: Auf allen elf Linien sind die vorgesehenen Akkufahrzeuge im Einsatz.

nahSH - Akkuzug 2023

Technische Daten

Die ausgewählten Fahrzeuge verfügen über Batterien, die auf dem Dach und unter dem Fahrzeug montiert sind. Die betriebliche Reichweite einer Batterieladung liegt im Fahrgastbetrieb bei mindestens 80 Kilometern. Die Batterien werden an den vorhandenen Oberleitungen, vor allem in den Bahnhöfen Kiel, Neumünster, Flensburg, Lübeck, Lüneburg sowie auf der Strecke Osterrönfeld – Jübek, aufgeladen. Außerdem hatte das Land die DB Netz AG beauftragt, an einigen Stellen in Schleswig-Holstein zusätzliche Ladevorrichtungen zu bauen und bestehende Oberleitungen in Kiel, Flensburg, Büchen und Bad Oldesloe zu verlängern. In den Bahnhöfen von Heide, Husum und Tönning wurden jeweils sogenannte Oberleitungsinselanlagen an mehreren Bahnsteiggleisen neu errichtet. Neben dem Laden über die Oberleitungen speist der Triebwagen die Bremsenergie in die Batterie zurück – das spart weitere Energie. Die Triebwagen sind leiser, spurtstärker, mit einer Höchstgeschwindigkeit von 160 km/h deutlich schneller und wesentlich energiesparender als die früheren Dieseltriebwagen.

Die Fahrpläne in den Akkunetzen sind so gestaltet, dass die Ladezeiten ausreichend sind und jeweils genug Fahrzeit zur nächsten Oberleitung besteht. Störungsfälle oder Probleme im Betrieb, wie längere außerplanmäßige Standzeiten, können mit einem Akkupuffer aufgefangen werden. Es ist also nicht zu befürchten, dass den Fahrzeugen während der Fahrt der Strom ausgeht.

Technische Daten: 

  • Spurweite 1435 mm
  • Speisespannung: 15 kV/16,7 Hz
  • Antrieb: 2x500 kW
  • Höchstgeschwindigkeit 160 km/h

Fahrzeuge

Die Triebwagen vom Typ Flirt Akku sind zweiteilige Triebwagen mit 123 Sitzplätzen. Sie sind barrierefrei, klimatisiert und mit WLAN ausgestattet. In den Fahrzeugen gibt es zudem Steckdosen und USB-Lademöglichkeiten. Um die Barrierefreiheit weiter zu erhöhen, verfügen die Akkutriebzüge über ein rollstuhlgerechtes WC (die sogenannte Rheingau-Toilette), dessen Anforderungen über die einschlägige Richtlinie TSI PRM hinausgehen. Es gibt in jedem Fahrzeug zwei voneinander getrennte Mehrzweckbereiche. In dem Bereich direkt am barrierefreien WC gibt es zwei Rollstuhlplätze, der andere Bereich ist vorrangig für Kinderwagen sowie bis zu neun Fahrräder ausgelegt. Die jeweiligen Bereiche sind außen am Fahrzeug durch große Piktogramme gekennzeichnet. Die neuen Triebwagen bieten an einem Regelbahnsteig, also an Bahnsteigen mit einer Höhe von 76 cm, an allen Türen einen höhengleichen, barrierefreien Zugang für Fahrgäste. Für Bahnsteige, die nicht dem Regelbahnsteig entsprechen, weil sie niedriger sind, gibt es mobile Anlegerampen, die vom Zugpersonal angelegt werden können. Die Triebwagen sind in einheitlichem NAH.SH-Design gestaltet. Sie haben große Displays für eine verbesserte Fahrgastinformation, wie z. B. Anschlussverbindungen am nächsten Halt oder eine Übersicht der nächsten Haltepunkte.

Kooperationspartner

Die Auftraggeber:

Die Bereitsteller:

  • Stadler ist Entwickler, Hersteller und Lieferant der Fahrzeuge und ist für die Instandsetzung verantwortlich.
  • Die Paribus Holding vermietet die Fahrzeuge als Eigentümer für den Betrieb an die Verkehrsunternehmen.

Die Infrastrukturbetreiber:

  • DB InfraGO AG hat als Infrastrukturunternehmen die Ladeinfrastruktur für die Akkuzüge hergestellt und betreibt die Schieneninfrastruktur.
  • Die AKN Eisenbahn GmbH betreibt ebenfalls Teile der Schieneninfrastruktur. 

Die Eisenbahnverkehrsunternehmen: 

  • Die nordbahn fährt die Akkutriebzüge im Netz Nord und Ost-West: RE 72 Flensburg – Kiel, RB 73 Eckernförde – Kiel, RE 74 Husum – Kiel, RB 75 Rendsburg-Seemühlen – Kiel, RB 64 Husum – Bad St. Peter-Ording und RB 63 Büsum – Heide – Neumünster, RB 82 Neumünster – Bad Oldesloe.
  • erixx Holstein fährt die Akkutriebzüge im Netz Ost: RE 83 Kiel – Lübeck – Lüneburg, RB 84 Kiel – Lübeck, RB 87 Kiel – Preetz, RB 76 Kiel – Schönberger Strand.

Andere:

Ergebnis

Die ersten Akkufahrzeuge konnten nach einer intensivem Test- und Schulungsphase im Oktober 2023 im Linienbetrieb starten. Bis zum Dezember 2024 ersetzen die NAH.SH, der Fahrzeughersteller Stadler und erixx und nordbahn in enger Zusammenarbeit sukzessive immer mehr Dieselfahrzeuge auf immer mehr Linien durch Akkuzüge. Alle 55 Fahrzeuge sind seit dem 4. Quartal 2024 im Einsatz, auf allen dafür vorgesehenen Verbindungen. Etwa drei Monate nach dem Start gab es wegen eines Softwareproblems Probleme bei den Fahrzeugen, das Stadler durch ein Update beheben konnte. Ansonsten laufen die Fahrzeuge stabil im Fahrgastbetrieb und erfreuen sich bei den Fahrgästen großer Beliebtheit, weil sie leiser, moderner und besser ausgestattet sind. 

Kennzahlen

Seit Ende 2025 sind alle 55 Akkuzüge auf den Strecken in Schleswig-Holstein im Einsatz. Damit spart das Land jährlich 10 Millionen Liter Diesel und 26.000 Tonnen CO2 ein. Das Projekt umfasst 40 Prozent des Bahnverkehrs in Schleswig-Holstein. Der echte Norden springt damit auf Platz 2 im bundesweiten Flächenlandvergleich, was den Elektrifizierungsanteil von Bahnstrecken anbetrifft.

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